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Bleibt das Tempo der CO2-Einsparungen im Gebäudebereich so wie in den letzten zehn Jahren, ist der Gebäudesektor erst 2070 klimaneutral (s. Abb. 1)1. Die Dekarbonisierung des Gebäudebestands ist jedoch entscheidend, um das Ziel der Klimaneutralität bereits 2045 zu erreichen. Das liegt vor allem daran, dass über 90 % der heute existierenden Gebäude auch im Jahr 2045 und darüber hinaus noch genutzt werden2. In diesem Artikel beantworten wir daher die folgenden Fragen: 

  • Wie hoch ist der Anteil verschiedener Wohn- und Nichtwohngebäudetypen am Energiebedarf und den CO2-Emissionen des Gebäudebestands?
     
  • Welche Rolle nehmen die unterschiedlichen Gebäudetypen auf dem Weg zu einem klimaneutralen Gebäudebestand ein?
     
  • Welche Aspekte sollten im Wohn- und Nichtwohnbereich besonders beachtet werden, um effektive und zugleich kosteneffiziente energetische Modernisierungsmaßnahmen umzusetzen und signifikante CO2-Einsparungen zu erzielen?

 

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MorgenGrün Entwicklung der jährlichen CO2-Emissionen im Gebäudebereich

Abb. 1: Entwicklung der jährlichen Kohlendioxid-Emissionen im Gebäudebereich und mögliche zukünftige Entwicklungen [1]

Deutschland ist gebaut: Die größten CO2-Einsparpotenziale liegen im Gebäudebestand! Aber wo genau? 

Der Großteil der CO2-Emissionen im Gebäudebereich stammt aus dem Bestand. In Deutschland werden jährlich nur etwa 5,4 neue Gebäude je 1.000 bestehende errichtet3, die hohen energetischen Standards entsprechen. Die große Herausforderung liegt daher in der energetischen Modernisierung bestehender Bauten. 

Fast 20 Mio. Wohngebäude in Deutschland benötigen 69 % der Endenergie des Gebäudebereichs und verursachen damit 77 % der Emissionen4. Im Vergleich dazu beanspruchen nur ca. 2 Mio. Nichtwohngebäude 31% der Endenergie und sind für 23 % der Emissionen verantwortlich4. Ein durchschnittliches Einfamilienhaus benötigt ca. 24 MWh Endenergie pro Jahr, ein Mehrfamilienhaus 72 MWh und ein Nichtwohngebäude 141 MWh5. Der Energiebedarf pro Nichtwohngebäude ist somit deutlich höher, was auf ein besonders hohes Einsparpotenzial pro Gebäude hinweist. 

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MorgenGrün Durchschnittliche Endenergiebedarfe deutscher Gebäude

Abb. 2: Durchschnittliche Endenergiebedarfe deutscher Gebäude [5]

Wohngebäudebestand: Standardisierte Modernisierungsmaßnahmen möglich 

Die 20 Mio. Wohngebäude sind in ihrer Nutzung und Größe relativ homogen. Das ermöglicht die Entwicklung standardisierter Modernisierungsmaßnahmen für bestimmte Gebäudetypen basierend auf Baualtersklassen, bereits durchgeführten Modernisierungen und Standortfaktoren  (z. B. Anschluss an bestehende Wärmenetze).

Verschiedene Institutionen haben bereits standardisierte Maßnahmen entwickelt. Diese müssen zwar auf das jeweilige Gebäude angepasst werden, bieten jedoch wertvolle Orientierung für Eigentümer:innen. Die Standards helfen dabei, sinnvolle Maßnahmen zu identifizieren und Investitionen sowie Betriebskosten besser abzuschätzen. Auch die Politik sowie Planungs- und Handwerksunternehmen können sich daran orientieren, um Fördermittel und Geschäftsmodelle strategisch auszurichten. 

Damit lässt sich das Potenzial sinnvoller Modernisierungsmaßnahmen im deutschen Wohngebäudebestand grundsätzlich in großem Maßstab nutzen.
 

 

Nichtwohngebäude: Heterogenität als besondere Herausforderung 

Im Gegensatz zu Wohngebäuden ist der Bestand an Nichtwohngebäuden deutlich vielfältiger in Nutzung, Kubatur und Größe. Diese Heterogenität erschwert die Entwicklung standardisierter Modernisierungsmaßnahmen. Nichtwohngebäude lassen sich dennoch grob in Hauptnutzungen und Baualtersklassen einteilen. Abb. 3 zeigt den Wärme- und Kältebedarf aller deutschen Nichtwohngebäude für die jeweiligen Nutzungen und Altersklassen.6

Es ist ersichtlich, dass Bürogebäude aufgrund ihrer großen Anzahl und ihres Alters besonders hohe Einsparpotenziale bieten. Zudem zeigt sich, dass in jeder Nutzungskategorie etwa 75 % des Energiebedarfs auf Gebäude entfallen, die vor 1980 gebaut wurden, also vor den ersten Wärmeschutzverordnungen. Wir können daher insbesondere in diesen älteren Gebäuden hohe Einsparpotenziale erwarten. Dies steht im Einklang mit der häufig zitierten Aussage, dass in der EU 35 % der Gebäude älter als 50 Jahre sind und 75 % als energieineffizient eingestuft werden.7

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MorgenGrün Wärme- und Kältebedarf deutscher Wohn- und Nichtwohngebäude

Abb. 3: Wärme- und Kältebedarf deutscher Wohn- und Nichtwohngebäude [6]

Zusätzliche Herausforderungen sind spezifische Anforderungen wie Kältebedarf, maschinelle Belüftung und stark variierende Bedarfsstrukturen. Maßnahmen an der Gebäudehülle senken nicht nur den Wärmebedarf, sondern können auch den Kältebedarf und/oder Kältelastspitzen erhöhen. Lüftungsanlagen tragen erheblich zum Energiebedarf bei und sollten optimal auf die Gebäudenutzung abgestimmt sein. 

Große Dachflächen bieten in vielen Nichtwohngebäuden ein hohes Potenzial zur Solarstromerzeugung, wobei elektrischen Speichern eine immer größere Rolle zukommt (höhere Eigennutzung von Erneuerbaren Energien und Potenzial für Netzdienlichkeit). Auch thermische Speicher sind relevant, da sie es ermöglichen, kleinere und kostengünstigere Wärmeerzeuger wie Wärmepumpen einzusetzen.

Die Entwicklung optimaler Modernisierungsmaßnahmen für Nichtwohngebäude ist aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe. Maßnahmen an der Gebäudehülle, der Austausch von Wärme- und Kälteerzeugern sowie die Integration von Speichern und Anpassungen der Wärmeübergabesysteme (etwa durch neue Heizkörper) müssen präzise aufeinander abgestimmt werden, um das Gebäude kosteneffizient in Richtung Klimaneutralität zu führen. Häufig ist es zudem sinnvoll, die Maßnahmen zeitlich gestaffelt in einem sogenannten Modernisierungsfahrplan umzusetzen, um Investitionen und Effizienzgewinne optimal auszubalancieren. 

 

Zusammenfassung

Wohngebäude

  • Homogene Strukturen ermöglichen stadardisierte Modernisierungsmaßnahmen;
  • geringe Einsparung pro Gebäude, aber großes Skalierungspotenzial;
  • standardisierte Maßnahmen bieten Orientierung und unterstützen Förderstrategien. 

Nichtwohngebäude

  • Heterogenität erfordert individuelle Modernisierungskonzepte;
  • höhere Einsparpotenziale pro Gebäude, jedoch geringere Anzahl im Bestand;
  • besondere Herausforderungen durch spezifische Nutzungsanforderungen.

Bald mehr dazu … 

In Deutschland gibt es nicht nur zwei, sondern 21 Mio. Nichtwohngebäude8. Doch nicht alle fallen unter das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Gebäude, in denen hauptsächlich produziert wird, sind beispielsweise ausgenommen. 

Im nächsten Teil dieses Beitrags nehmen wir diese Produktionsgebäude genauer unter die Lupe!