Direkt zum Inhalt

Beitrag teilen

Ein Gespräch über Ideen, Innova­tionen und die Zukunft des Bauens

Mit ihrer neuen Marke MorgenGrün hat die ZWP Ingenieur-AG ein starkes Zeichen gesetzt. Die Ziele: klimafreundliches Bauen und die Gestaltung einer umweltbewussten Zukunft. Doch wie will MorgenGrün den Herausforde­rungen begegnen? Wir haben bei den Expert:in­nen von MorgenGrün nachgefragt.

 

Worin liegen die innovativen Ansätze von MorgenGrün in den Bereichen Neubau, Bestandsmodernisierung und Quartiersentwicklung? Lasst uns mit dem Neubau anfangen: Wie gestaltet ihr klimaneutrale Gebäude?

Lydia Larsen: Klimaneutralität beginnt bei uns schon mit dem ersten Gedanken. Von Anfang an verfolgen wir ein ganzheitliches Konzept, das Nachhaltigkeit, erneuerbare Energien und Energieeffizienz in den Mittelpunkt stellt.
Die intelligente Einbindung erneuerbarer Energien in die Gebäudestruktur ist ein gutes Beispiel dafür: von Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen bis hin zur Nutzung von Regenwasser. So entsteht ein Gebäude, das im Betrieb möglichst wenig Energie benötigt – und diese im besten Fall selbst erzeugt.  

Das klingt vielversprechend. Welche innovativen Maßnahmen setzt ihr dabei konkret um? 

Lydia Larsen: Ein zentraler Ansatz ist die frühzeitige Einbindung moderner Technologien und nachhaltiger Materialien. Schon in der Planungsphase setzen wir auf innovative Lösungen wie digitale Zwillinge, mit denen sich die energetischen Eigenschaften eines Gebäudes sowie die benötigten Ressourcen schon im Voraus simulieren lassen. So können wir den Energiebedarf, die CO2-Emissionen und die Kosten minimieren, noch bevor der erste Spatenstich überhaupt erfolgt ist.  
Gleichzeitig arbeiten wir eng mit Architekturbüros zusammen, um Bauweisen umzusetzen, die besonders geringe Umwelteinwirkungen über den gesamten Lebenszyklus verursachen – von der Errichtung über die Nutzung bis zur späteren Verwertung. 

Wie ist es bei der Bestandssanierung? Wie geht ihr dabei vor, um bestehende Gebäude klimaneutral zu machen? Welche Anforderungen haben eure Partner:innen und Kund:innen? 

Jan Richarz: Bestandsgebäude klimafit zu machen, ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Denn der Großteil der Gebäude, die wir heute nutzen, wird auch 2045 noch stehen. Deshalb ist es entscheidend, Bestandsgebäude nachhaltig und klimaneutral zu modernisieren, um die Klimaziele zu erreichen. Immerhin ist der Betrieb bestehender Gebäude in Deutschland für etwa 40 Prozent des gesamten Endenergiebedarfs und rund 15 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. 

Gebäudeeigentümer:innen verfolgen meist individuelle Ziele zur CO2-Einsparung und zur Erfüllung der ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung und brauchen dafür ein passendes Energiedesign sowie eine durchdachte Investitionsplanung. Beim Energiedesign kommt es auf das Zusammenspiel von Gebäudehülle, Energieerzeugung, -speicherung und -übergabe an, um ein modernes und CO2-armes Energiesystem zu schaffen. 

Bild
Morgengrün Mitarbeiter bei der Projektplanung
Dr.-Ing. Jan Richarz

Das nachhaltigste Gebäude ist das, das bereits existiert.

Nehmen wir mal ein konkretes Beispiel: Wie geht ihr da Schritt für Schritt vor, gerade wenn es um die ganzen Wechselwirkungen im Gebäude geht?

Jan Richarz: Unser Ansatz beginnt mit einer detaillierten Bestandsanalyse: Wie energieeffizient ist das Gebäude gerade? Welche Energieträger werden in welchen Anlagen verwendet? Welche Erneuerbare-Energien-Potenziale gibt es am Standort des Gebäudes? Auf dieser Basis entwickeln wir dann ein passgenaues Modernisierungskonzept. Dabei sollte die Dimensionierung neuer Erzeuger, Speicher und Maßnahmen an der Gebäudehülle optimal aufeinander abgestimmt sein, um beispielsweise Lock-In-Effekte zu vermeiden und über die nächsten 30 Jahre das maximale Potenzial für Emissions- und Kosteneinsparungen im Gebäudebetrieb zu nutzen.

Welche Rolle spielt dabei der digitale Zwilling?   

Jan Richarz: Das digitale Abbild des Gebäudes ist unverzichtbar! Die Vielzahl an physikalischen und ökonomischen Wechselwirkungen sowie die vielen möglichen Modernisierungsmaßnahmen zur CO2-Reduzierung führen zu einer enormen Zahl möglicher Energiekonzept-Varianten. Diese Variantenanzahl ist nur schwer mit herkömmlichen Methoden zu untersuchen. Deshalb verwenden wir mathematische Optimierungsmethoden, um das kostenoptimale Energiesystem für ein bestehendes Gebäude zu ermitteln und zu dimensionieren – unter Berücksichtigung der individuellen CO2-Ziele und aller relevanten Wechselwirkungen. Dabei kombinieren wir ein physikalisches Gebäude- und Anlagenmodell mit intelligenten Algorithmen.

Heißt das, ihr müsst dafür riesige Datenmengen sammeln?

Jan Richarz: Dabei benötigen wir auch nicht mehr Daten als bei herkömmlichen Methoden. Basisdaten wie Flächen sowie Strom- und Wärmeverbrauchsdaten auf Jahresbasis sind für die meisten Bestandsgebäude verfügbar. Die Dimensionierung im Energiedesign kann jedoch weiter an Präzision gewinnen, wenn zeitlich höher aufgelöste Verbrauchswerte vorliegen – idealerweise monatlich, noch besser stündlich.

Und wie sieht das bei der Quartiersentwicklung aus? 
Was unterscheidet eure Ansätze hier von Neubau und Bestandsbauten?

Julian Bartz: Bei der Quartiersentwicklung betrachten wir das große Ganze – nicht nur das einzelne Gebäude. In vielen Fällen zeigt sich, dass durch einen erweiterten Betrachtungshorizont auf die Quartiersebene deutlich höhere Ausnutzungsgrade erneuerbarer Energien erzielt werden können. Insbesondere die Überschusseinspeisung von PV-Anlagen ins öffentliche Netz lässt sich erheblich reduzieren. Dies entlastet die öffentlichen Stromnetze und verbessert gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Anlagen.

Auch bei der Wärmeversorgung lässt sich sparen, wenn Gebäude in einem Quartier über eine gemeinsame Infrastruktur versorgt werden. So könnte etwa in einem Verwaltungsgebäude A anfallende Abwärme über ein Wärmenetz an die Wohngebäude B und C weitergegeben werden, anstatt sie – wie oft üblich – an die Außenluft abzuführen.

Bild
Morgengrün Mitarbeiter am Laptop
Julian Bartz

Bei der Quartiersentwicklung betrachten wir das große Ganze – nicht nur das einzelne Gebäude.

Was sind spannende Konzepte dabei?

Julian Bartz: Ein wirklich innovatives Konzept für Neubauquartiere sind beispielsweise die sogenannten 5th Generation District Heating and Cooling (5GDHC)-Infrastrukturen. Diese Wärmenetze arbeiten mit Temperaturen nahe der Umgebungstemperatur und können als Wärme- und als Kältequelle für die angeschlossenen Gebäude fungieren. Durch dezentrale Wärmepumpen in den angeschlossenen Gebäuden wird dann die benötigte Wärme für die Heizung gewonnen. Erste Pilotprojekte zu diesem Konzept laufen bereits in Deutschland. 

Was genau ist am 5GDHC so besonders?

Julian Bartz: Ein entscheidender Vorteil liegt darin, dass es nicht mehr notwendig ist, ein separates Kältenetz zu errichten. Und durch die sehr niedrigen Netztemperaturen von etwa 5 bis 25 Grad Celsius und die damit verbundenen sehr geringen Verteilverluste kann häufig auf eine Dämmung der Rohrleitungen verzichtet werden. Besonders spannend wird es, wenn wir überschüssige Wärme aus Gewerbebauten nutzen, um Wohngebäude zu beheizen. Die Gebäude im 5GDHC-Netz fungieren hierbei als sogenannte Prosumer, also als Produzenten und Konsumenten zugleich. Dieser smarte Energieausgleich macht Abwärmepotenziale noch besser nutzbar und vereinfacht die Einbindung erneuerbarer Energien. 
Wie wichtig ist die frühzeitige Planung bei der Quartiersentwicklung?

Julian Bartz: Extrem wichtig. Wenn wir schon in der Konzeptphase alle Weichen richtig stellen, lassen sich Synergien viel besser nutzen. Das Ergebnis: Quartiere, die nicht nur klimaneutral, sondern auch wirtschaftlich attraktiv sind.  

Und welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?

Julian Bartz: Eine ganz entscheidende! Digitale Steuerungs- und Monitoringsysteme helfen uns, den Energiefluss im Quartier in Echtzeit zu überwachen und zu optimieren. Daten zu Energiebedarf, Wetter und Energieerzeugung ermöglichen es, Ressourcen bestmöglich zu nutzen und die CO2-Bilanz kontinuierlich zu verbessern. Zusätzlich überwachen digitale Systeme die Wartungszyklen und sorgen für einen effizienten Betrieb der Anlagen – das senkt den Energieverbrauch noch weiter.  

Und wenn Neubauten und Sanierung im Quartier aufeinandertreffen – wie funktioniert das?

Jan Richarz: In der Praxis stehen in einem Quartier energieeffiziente Neubauten direkt neben sanierten Altbauten. Die Neubauten sind in der Regel energieeffizient, haben einen geringen CO2-Fußabdruck und erzeugen häufig bereits erneuerbaren Strom. Für die Bestandsgebäude müssen optimale Modernisierungsstrategien entwickelt werden. Im Quartier kommt hinzu, dass bei intelligenter Vernetzung der Gebäude, Wärme, Kälte und Strom innerhalb des Quartiers verteilt werden können. Besonders bei unterschiedlichen Nutzungen wie Wohnen und Gewerbe ergeben sich hier hohe Synergien, zum Beispiel durch die Nutzung von PV-Strom und entstehender Abwärme.

Bei einem bestehenden Wärmenetz innerhalb eines Quartiers ist es außerdem wichtig zu bewerten, ob weitere in der Nähe stehende Gebäude an dieses Netz angeschlossen werden können und sollten.

Inwiefern spielt die Kreislaufwirtschaft bei der Sanierung eine Rolle?

Lydia Larsen: Die Kreislaufwirtschaft ist für uns ein zentraler Ansatz, um nachhaltig und ressourcenschonend zu bauen und zu sanieren. Um mal eine Zahl zu nennen: Aktuell werden nur etwa ein Prozent der verbauten Materialien wiederverwendet – das wollen wir ändern!

Unser Ziel: so viel Bestand wie möglich erhalten und weiterverwenden. Auch bei Sanierungsprojekten fördern wir selbstverständlich die Nutzung recycelter Materialien. Schon in der Planung denken wir an die Wiederverwendbarkeit neu eingebrachter Materialien, damit die Projekte von heute nicht die Abfälle von morgen werden.

Julian Bartz: Und Kreislaufwirtschaft ist nicht nur nachhaltig,  sondern auch wirtschaftlich vielversprechend. Durch rückbaufreundliche Planung und hochwertige, wiederverwendbare Materialien steigern wir den Wiederverkaufswert von Bauteilen – und damit den Gebäuderestwert. Ein klarer Gewinn für Umwelt und Wirtschaft!

Auch beim Neubau? 

Lydia Larsen: Unbedingt! Besonders durch den Einsatz von BIM, Building Information Modeling, sehen wir hier richtig viel Potenzial. In Zusammenarbeit mit Madaster können wir zum Beispiel eine modellbasierte Ökobilanz erstellen, um die Nachhaltigkeit der verwendeten Baumaterialien besser zu erfassen und zu optimieren. In diesem digitalen Zwilling speichern wir nicht nur die Materialien und deren Umwelteinwirkungen, sondern auch Infos zu den Verbindungstechniken und der Recyclingfähigkeit.  

All diese Daten bilden die Grundlage für den Gebäuderessourcenpass. Damit können wir die Informationen über den gesamten Lebenszyklus der Immobilie hinweg speichern und nutzen.  

Bild
Morgengrün Mitarbeiterin mit Tablet
Lydia Larsen

Wir entwickeln maßgeschneiderte Gebäudelösungen, die nicht nur aktuellen Anforderungen gerecht werden, sondern auch zukünftigen.

Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit – passt das überhaupt zusammen?  

Lydia Larsen: Ich würde es so sagen: Ohne ökologische Nachhaltigkeit gibt es keine Wirtschaftlichkeit. Denn nachhaltige Gebäude haben durch ihre Bauweise und ihr Energiekonzept deutlich niedrigere Energiekosten im Betrieb, und ab 2027 könnten die Kosten für das Verursachen einer Tonne Kohlendioxid schon auf über 200 Euro steigen. Das würde zum Beispiel einen Aufschlag von etwa fünf Cent pro Kilowattstunde bei Erdgas bedeuten.¹

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Fördermöglichkeiten. Wir helfen unseren Kund:innen dabei, Fördermittel aus Programmen wie der Bundesförderung für effiziente Gebäude, BEG, optimal zu nutzen. Der „Förderdschungel“ ist für viele oft schwer durchschaubar, und genau da setzen wir an! Wir zeigen auf, welche Programme in Frage kommen, und unterstützen unsere Kund:innen, das volle Förderpotenzial auszuschöpfen.

Wie verbindet ihr Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit konkret?

Julian Bartz: Unsere Konzepte sind sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich durchdacht. Wir entwickeln maßgeschneiderte Gesamtenergiekonzepte, die perfekt auf den Standort abgestimmt sind. Ein zentraler Baustein dabei ist die möglichst genaue Bedarfsermittlung der Gebäude. Hierfür setzen wir dynamische Modelle und Simulationen ein, die es uns erlauben, Erzeugerleistungen optimal auf die Bedarfe abzustimmen. So verhindern wir, dass Anlagen überdimensioniert werden.

Im Bereich der Quartiersentwicklung können wir über die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) einen wesentlichen Anteil des Ausbaus von Wärmenetzen und Energiezentralen fördern. Dabei unterstützen wir unsere Kund:innen auch bei der Antragsstellung. Unser Kollege Jan Benner hat sich im vergangenen Jahr intensiv mit der BEW-Förderung beschäftigt und bereits erfolgreich Anträge gestellt.

Die Anforderungen an Zertifizierungen und gesetzliche Vorgaben steigen. Wie geht ihr damit um?

Lydia Larsen: Zertifizierungen wie DGNB oder BNB sind für viele unserer Kund:innen entscheidend, um die Nachhaltigkeit eines Projekts zu belegen. Je früher wir als Auditor:innen in den Prozess eingebunden werden, desto geringer sind Aufwand und Kosten. Wir begleiten unsere Kund:innen vom ersten Entwurf bis zur endgültigen Zertifizierung, damit alle Anforderungen reibungslos erfüllt werden.

Parallel dazu werden Nachhaltigkeitsanforderungen durch die Entwicklungen in der Regulatorik immer mehr zum Standard. Nachhaltigkeit ist längst kein Trend mehr, der nur bei besonderen Leuchtturmprojekten eine Rolle spielt. Durch Vorgaben aus der EU-Taxonomie oder der CSRD, der Corporate Sustainability Reporting Directive der EU, müssen sich immer mehr Bauherr:innen und Unternehmen intensiv mit dem Thema beschäftigen, um ihre Gebäude und Unternehmenspraxis fit für die Zukunft zu machen.

Julian Bartz: Doch wir gehen noch einen Schritt weiter: Wir wollen nicht nur die Mindestanforderungen erfüllen, sondern wirken über unsere Mitgliedschaften in verschiedenen Verbänden auch an der Schaffung neuer, noch ambitionierterer Standards mit.

Was bedeutet das genau für eure Kund:innen und Partner:innen?

Lydia Larsen: Dass sie von einem integrierten Konzept profitieren, das nicht nur kurzfristig Kostenersparnis bietet, sondern auch langfristig den Wert und die Zukunftsfähigkeit eines Projekts steigert. Klimaneutrales Bauen und Sanieren ist also nicht nur eine Investition in die Umwelt, sondern auch in die Attraktivität und den langfristigen Wert eines Objekts.

Was würdet ihr Immobilienbesitzer:innen und Investor:innen raten, die klimaneutral bauen wollen?

Julian Bartz: Unbedingt frühzeitig Fachleute einbinden! Ob Neubau oder Sanierung – mit einer sorgfältigen Planung und dem Einsatz moderner Technologien ist der Erfolg gesichert. Und natürlich: Fördermittel nutzen! Sie können den finanziellen Aufwand erheblich verringern.